Als nun Adam auf dem Felde baute, von dem er genommen war, wurde er traurig,
und Eva, voll Mitleid, forschte nach seinem Kummer. Adam sagte: »Siehst du die Cherubim nicht mit ihren hauenden blanken Schwertern, dass sie den Weg uns verwehren zum Baume des Lebens? Siehe, ich
lebe und begehre das Leben, aber der Herr hat gesagt, ich bin Erde und soll wieder zur Erde.« Eva wusste Rat:
»Geh und mach ein Zeichen dem Herrn, dass er unseren Wunsch erkenne und erhöre.« Da brach Adam vom Fels einen Stein und beschlug ihn und meißelte Zeichen seines Wunsches hinein; im Schweiße
seines Angesichtes wurde ihm hierfür von oben die Gabe der Schrift verliehen, die er in seiner Not selbst erfunden zu haben glaubte. Adam zeigte Eva den Stein, sie lobte ihn, und Adam schleuderte
ihn gegen die Richtung, wo die Cherubim standen. Vom Glanz ihrer Augen und Schwertspitzen wurde Adam geblendet, dass er nicht sah, wo der Stein zu Boden fiel. Auch war ein solches Sausen in der
Luft, dass er nicht hörte, wann der Stein sein Ziel erreichte.
Wieder war Adam traurig, und wieder sprach Eva ihm zu: »Siehe, du weißt nicht, was mit dem Stein geschehen ist. Fürchte dich nicht, behaue einen neuen Stein, gib ihm das Zeichen unseres Wunsches und schleudere wieder.« Adam tat, wie Eva ihm geheißen. Er tat es noch oft und tat es immer, wenn ihn die Trauer auf seinem Felde verzehrte. So hat Adam, der Legende nach, den Brief erfunden, und der erste Brief war ein versuchter Wurf nach dem verlorenen Paradies.
H.G. Adler, Die unsichtbare Wand 1989
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