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Zum Thema Handschrift

a) Wie unter persönlichen Gesichtspunkten Digitalisierung bewertet wird, ist vollkommen irrelevant: Mit dem Beginn und der fortschreitenden Ausbreitung von digitalen Medien, Methoden, Programmen und Maschinen, von digitalen Netzwerken und Speichermöglichkeiten, ist eine Technologie auf die Welt gekommen, die sich nicht mehr bannen lässt. Nur eine Menschheitskatastrophe könnte zum Untergang dieser Technologie führen. Und die träfe die Menschheit selbst vermutlich härter als ihre technologischen Hervorbringungen.
Auch will wohl niemand ernsthaft hinter die erreichten technologischen Standards zurück und mittelalterlich in unbeheizten Kloster-Skriptorien mit Eisen-Gallus-Tinte auf Pergament schreiben oder – es sei denn zum Spaß – ein Büchlein mit Wachstäfelchen mit sich tragen, um allfällige Gedanken zu notieren. Und die Kommunikation mit Spiegeln, Signalfeuern oder Rauchzeichen war auch nicht immer ganz eindeutig und vor allem aufwändig. Funk, Telefon, Messagging oder Email sind da eindeutig schneller und im Allgemeinen auch genauer.

 

b) Veränderungen lösen allerdings bei vielen Menschen Ängste aus, weil sie Unsicherheiten mitbringen für die jeweilige Gegenwart und im Blick auf Zukunft. Das betrifft häufig Ältere eher als Jüngere; strukturorientierte Menschen fühlen sich dadurch eher bedroht als prozessorientierte, viele haben auch schlicht die Sorge, nicht mehr mithalten zu können oder gar überflüssig zu werden und anderen missfällt womöglich die Richtung, in die sich Mensch und Gesellschaft zu entwickeln scheinen. Das gilt immer dann, wenn neue Technologien entstehen und sich verbreiten. Als im 19. Jahrhundert die Eisenbahn sich verbreitete, befürchteten manche, dass der Mensch für solche Geschwindigkeiten einfach nicht geschaffen sei (40 bis 60 km/h). Die Elektrifizierung / Beleuchtung der Städte ließ Menschen um ihre Gesundheit fürchten, wenn nun die Nacht zum Tag gemacht werde. Als im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts die damals sogenannten neuen Medien aufkamen, vor allem das Privatfernsehen, die Videotheken, Videorekorder usw., war vor allem bei Eltern die Sorge verbreitet, dass »die Jugend« nun verdumme, weil keine Bücher mehr gelesen würden. Und auch als sich die Kulturtechnik des Schreibens in Griechenland zu verbreiten begann, äußerte kein Geringerer als Sokrates die Befürchtung, dass damit die Fähigkeit des menschlichen Gedächtnisses geschwächt würde.

 

 

 

c) Angst vor Veränderung ist grundsätzlich nicht bedenklich. Sie trägt vielmehr dazu bei, die angesichts der Einführung neuer Technologien entstehenden Fragen gesellschaftlich und persönlich zu artikulieren und zu diskutieren. Diese Fragen sind meist anthropologischer, ökologischer oder allgemein: ethischer Natur. Und oft geht es dabei auch um die Abwägung von Gewinn und Verlust. Der Einsatz von Maschinen und Robots bei der Produktion hat Menschen von schwerer körperlicher Arbeit und von Routine-Aufgaben entlastet. Die gleichen Menschen gehen heute in Fitness-Studios, damit ihre Muskeln nicht erschlaffen. Die Digitalisierung, die ja vor allem in der Errichtung eines großen Datennetzwerkes besteht, beschleunigt den Informationsfluss, stellt Massen von Wissen weltweit bereit und erlaubt es, an jedem beliebigen Ort der Welt zu arbeiten oder sich wie daheim zu amüsieren. Gleichzeitig fordert und fördert die Digitalisierung aber auch die permanente Verfügbarkeit von Menschen, schafft eine menschlich kaum zu bewältigende Datenflut und fordert dem einzelnen Menschen Daten ab, die er freiwillig wohl kaum rausrücken würde. Ähnliche Fragen stellen sich auch bei Gentechnologie, Pränataldiagnostik, Klonung von Tier und Mensch, bei den Energietechnologien, Transporttechnologien (autonomes Fahren z.B.) usw. Einmal vorhanden verschwinden die diesen Technologien innenwohnenden Möglichkeiten nicht mehr aus dem Bewusstsein der Menschen. Umso entscheidender wird es jeweils sein, gesellschaftlich artikulierte Ängste von Menschen zum Anlass zu nehmen, um in einen gesellschaftlichen Diskurs über Pro und Contra zu kommen. Tatsächlich muss ja nicht alles umgesetzt werden, was wissenschaftlich oder technisch möglich ist (Klonen von Menschen z.B.).

 

d) Im Folgenden wird es um das Thema »Handschrift« unter dem Vorzeichen einer digitalen Gesellschaft gehen. Grundsätzlich ließe sich bereits jetzt ganz ohne Handschrift auskommen. Die meisten Menschen haben irgendein Mobilgerät, auf dem sie ihre Gedanken und Erinnerungen ablegen können. Gleichzeitig fällt es immer mehr Menschen immer schwerer (jüngeren übrigens mehr als älteren), mit dem Stift lesbare Zeichen aufs Papier zu bringen. In einigen Ländern gibt es deshalb die Tendenz bereits in der Grundschule auf eine verbundene Handschrift gänzlich zu verzichten und ausschließlich Druckschrift und Tippen auf Tastatur und Tab zu lehren.